Für viele Touristen und Reisende werden ökologische Aspekte und Nachhaltigkeit immer wichtiger, so daß mittlerweile auch die Tourismusbranche auf das gestiegene Umweltbewusstsein der Verbraucher reagiert hat. In vielen Reisekatalogen findet man deshalb in den letzten Jahren verstärkt Schlagworte wie „nachhaltiger Urlaub“ oder auch „sozial- und umweltbewusste Reisen“ – viele Reiseveranstalter setzen offensichtlich auf umweltverträglichen Tourismus.
Inwiefern jedoch die Reiseanbieter ihr Versprechen vom verantwortungsvollen Tourismus auch wirklich halten können, läßt sich für den Kunden nicht immer nachvollziehen. Zu unterschiedlich und wenig transparent sind die meisten nachhaltigen Reiseangebote. Darüber hinaus gibt es alleine in Europa derzeit mehr als 50 Öko- bzw. Umwelt-Label für eine Vielzahl von touristischen Dienstleistungen. Es gibt Öko-Kennzeichen, Umwelt-Zertifikate und weitere „Nachhaltigkeits“-Gütesiegel u.a. für Hotels, Ferienwohnungen, Strände, Schutzgebiete, Restaurants, Handwerksbetriebe, Naturparks, Golfplätze oder Pauschalreisen. Die bekanntesten Qualitätssiegel für den naturorientierten Tourismussektor sind vermutlich das BIO-Hotel-siegel, das Viabono-Label, die „Blaue Schwalbe“ vom fairkehr-Verlag, das Ecocamping Management-Zeichen für Campingplätze, Legambiente Turismo für italienische Hotels, Nature’s Best für Natur- und Ökotourismus in Schweden, das Schweizer Steinbock-Label für die Nachhaltigkeit von Hotelbetrieben oder der Grüne Schlüssel (The Green Key) als internationales Gütesiegel für umweltschonend geführte Feriendomizile. Man darf also davon ausgehen, daß die Nachfrage für geprüfte bzw. zertifizierte Tourismusangebote im Bereich des nachhaltigen Tourismus vorhanden sein sollte.
Besonders vielversprechend in Sachen Transparenz ist das relativ neue Qualitätssiegel „CSR-Tourism-Certified“ des forum anders reisen e.V. (far). CSR steht für „Corporate Social Responsibility“ und soll den Beitrag von Tourismus-Unternehmen zu einer nachhaltigen Entwicklung abbilden. Das „CSR-Tourism-Certified“-Gütesiegel setzt dabei auf objektiv mess- und prüfbare Kriterien, welche die Nachhaltigkeit und das umweltbewusste und sozialverträgliche Reisen in einem zu jeder Zeit transparenten Zertifizierungsprozess belegen.
Schließlich müssen nachhaltige Reiseangebote das Ziel haben, daß ihre Umwelt- und Sozialverträglichkeit in Zukunft durch ein oder zumindest wenige glaubwürdige Tourismus Gütesiegel vertreten wird. Ein Dschungel aus verschiedenen Zeichen, Dachmarken und Zertifikaten verhindert echte Orientierung und führt dazu, daß der umweltbewusste Urlauber oder Hotelgast nicht das Reiseangebot findet, welches seinen Bedürfnissen und Werten entspricht. Dadurch entstehen kognitive Dissonanzen, wie der Marketing-Experte es nennt, die beim Konsumenten als unangenehm empfunden werden. Was in letzter Konsequenz dazu führen kann, daß der Reisewillige sich doch für ein konventionelles Reiseangebot entscheidet, da er sich nicht sicher ist bzw. sein kann, ob hier vielleicht nur das sogenannte „Greenwashing“ betrieben wird. Gerade bei vielen unterschiedlichen Zertifikaten und undurchsichtigen Umweltlabeln besteht für den Verbaucher das subjektiv empfundene Risiko, daß er sich für eine Reise entscheidet, die möglicherweise nur unter dem Deckmantel des Ökotourismus verkauft wird.
Naturorientierter Tourismus ist bislang nämlich nur ein Nischenmarkt mit relativ kleinem Marktanteil. Der größte Teil des Fremdenverkehrs ist heute weder umwelt- noch sozialverträglich zu nennen, auch wenn die Öffentlichkeitsarbeit und Werbe-Rhetorik vieler großer Reiseveranstalter mitunter einzelne umweltfreundliche Leistungen und Nachhaltigkeitsaktivitäten werbewirksam herausstellt. Nachhaltige Reiseangebote, die sowohl die kulturellen Traditionen des Urlaubslandes berücksichtigen und darüber hinaus den respektvollen Umgang mit natürlichen Ressourcen fördern, bleiben eher die Ausnahme.
Fremdenverkehr sozial- noch umweltverträglich zu gestalten heißt, alle Beziehungen zwischen Tourismus und Umwelt möglichst differenziert zu betrachten. Dabei ist es nicht immer einfach, den Überblick über alle theoretischen Ansätze und tatsächlich praktizierten Projekte zum Thema nachhaltiges Reisen zu behalten. Wer umwelt- und sozialverträglichen Tourismus aktiv unterstützen möchte, muß zum Beispiel genau hinschauen, ob das im Reiseland erwirtschaftete Geld auch im Land verbleibt. Ob die geschaffenen Arbeitsplätze die regionale Entwicklung fördern und dies den Einheimischen am Urlaubsort hilft, ihre Eigenständigkeit und Kultur zu bewahren. Ebenso müssen lokale Strukturen und vorhandene Wertschöpfungsketten weiter genutzt und ausgebaut werden, so daß die Bevölkerung in die Tourismus-Dienstleistungen einbezogen wird. Ohne dabei deren Degradierung zu schlecht bezahlten Bediensteten in Hotels und Restaurants zu begünstigen.
Auch der Klimawandel durch den Reiseverkehr (z.B. CO2-Ausstoß durch Flugverkehr) ist ein höchst komplexes Phänomen. Wie muß demnach eine möglichst umweltschonende Anreise ausgestaltet sein? Sofern man eine Fernreise bucht, muß man sich beispielsweise fragen, wie lange man in der Urlaubsregion verweilen will. Reisen nach Australien oder auf die Malediven für weniger als zwei Wochen wären dementsprechend unangebracht. Wenig umweltverträglich, durch die ebenfalls lange Flugdistanz, ist auch der Wochenend-Shoppingtrip nach New York.
Daneben spielen bei der umwelt- und sozialverträglichen Reisewahl auch immer die Gestaltung und die Größenordnung von Fremdenverkehrseinrichtungen in der Urlaubsregion eine wichtige Rolle. Bettenburgen in Küstennähe, so wie in vielen Tourismuszentren im Mittelmeerraum, sind deshalb im Bereich des ökologisch und sozial tragbaren Reisegeschäfts unerwünschte Relikte des Massentourismus der Vergangenheit. Hotels sollten mit der örtlichen Umgebung harmonieren und sich in die Landschaft einfügen und darüber hinaus Aspekte wie den Energieverbrauch, die Abfallvermeidung und -beseitigung berücksichtigen. Insgesamt also den schonenden Umgang und Verbrauch aller Rohstoffe und natürlichen Ressourcen im Hinblick auf die Vermeidung von Umweltschäden einkalkulieren.